· 

Von Volubilis nach Fès

Nach Volubilis durchqueren wir Moulay Idriss und werden dann vom Navi über einen Bergkamm geschickt. Hangabwärts in Richtung Fès wird die Straße Zug um Zug abenteuerlicher. Die Seitenränder sind ausgefranst und das ein oder andere Schlagloch ist von uns zu umrunden. Dabei haben wir einen atemberaubenden Talblick. Leider schwächeln dabei etwas die Straßenränder, denn die sind ziemlich vermüllt, weil hier oben doch recht arme Menschen hausen, und eine Müllentsorgung nicht zu existieren scheint.

 

Fès erreichen wir im Feierabendverkehr. Dieser fließt hier aber viel geregelter und geruhsamer als im hektischen Marrakesch. Unser Ziel ist der Campingplatz Diamant Vert, der im Süden der Stadt gelegen ist. Rund um den Platz entstehen Villen für die Oberschicht Marokkos. Auch eine Privatschule "Maple Bear" aus Kanada vervollständigt diesen Stadtteil. Im oberen Bereich des Campingplatzes gibt es kleine Ferienbungalows, die Campingecke für Wohnmobile liegt in der Senke dahinter. Dort gibt es im Sommer auch ein riesiges Spassbad für Groß und Klein. Der sonnige Bereich des Stellplatzes ist bis zur letzten Ecke gefüllt. Unter den schattenspendenden Eukalypytusbäumen wollen wir auch nicht den ganzen Tag stehen, da es jetzt ohne Sonne doch zu kühl ist. In der letzten Ecke sehen wir schließlich das Wohnmobil von Andrea und Michael stehen, die wir bereits in Azrou getroffen hatten. Neben diesen gibt es noch ein Plätzchen mit Mittagssonne und SAT-Empfang.

 

Am nächsten Tag waschen wir etwas Wäsche und erkunden  die Umgebung. Direkt neben dem Campingplatz gibt es ein großes bewaldetes Naherholungsgebiet. Dort gehen wir mit unseren Hunden die große Runde mit knapp 4 km. Hin und wieder treffen wir auf Streuner. Darunter ist eine Hundemutter mit mehreren Welpen, die wir auch die Folgetage immer mal wieder treffen. Oftmals sind dann die Welpen allein, da ihre Mama auf Nahrungssuche ist. Auf dem Campingplatz steht jetzt zusätzlich auch noch eine Seabridgereisetruppe "Allrad Light", die wieder von Renate und Jamal geführt werden. Die Beiden haben wir in Asilah, in Marrakesch und jetzt auch wieder in Fès getroffen. Sie haben uns immer mit guten Tipps versorgt, so dass wir uns jetzt nach knapp drei Monaten schon als alte Marokkohasen fühlen. Jamal legt uns allerdings für Fès aus Sicherheitsgründen einen Führer nahe, auf den wir aber zum Glück verzichten.

Mit Andrea und Michael machen wir uns am nächsten Tag auf eigene Faust auf den Weg in die Stadt. Zuerst gilt es ein Taxi zu organisieren. Wir gehen rechter Hand hinunter zur großen Umgehungsstraße und versuchen es dort. Bei den roten Petit Taxis haben wir aber kein Glück, da diese alle immer besetzt sind. Auch die ersten weißen Grand Taxis fahren alle vorbei bis schließlich eine Art Van bei uns anhält. Wir werden uns mit dem Fahrer über den Preis zum Place R`Cif mit 100 Dh einig und ab geht es. Kaum sitzen wir, bekommen wir schon ein angetrunkenes Espressoglas zum Weitertrinken angeboten..., das nennt man hier Gastfreundschaft. Vom Place R´Cif aus geht es dann zu Fuß für uns vier weiter. Zuerst landen wir im kunterbunten Färberviertel. Danach passt uns ein Mann ab und führt uns durch den gesamten Hinterhof seines Hauses, um uns Kleinstwerkstattkabinen (Kupfer, vergoldete Bleche, Schuhe) verschiedener Arbeiter zu zeigen. Wir steigen bis auf seine Dachterrasse hinauf und können über die benachbarten Dächer hinabluken.  Wieder unten angkommen, geht eis mit dem Mann noch zu seiner "Hochzeitskollektion". Es handelt sich um verzierte Tragen für Bräute, mit Stoff bespannte Geschenkschachteln in Hutform oder "Minisofas" zum Präsentieren. Für seine Mühe stecken wir ihm etwas Geld zu und zurück geht es auf die Straße. Am Place Serrafine treffen wir auf die Kupfermacher. Überall wird rundherum laut vor sich hingehämmert. Die Schmuckarmreifen aus der Kombination von Kupfer und vermutlich Silber sind sehenswert. Andrea und Vera sind aber auf Lampen fixiert. Und schon kurz später liegt rechter Hand ein kleiner Lampenshop mit zwei älteren Männern darin, die uns auch erst einmal in Ruhe schauen lassen. Wir erstehen zusammen zwei schöne Hängelampen und folgen weiter dem Menschengewimmel. Vorbei geht es an die für Touristen geöffneten Koranschulen. Und schließlich stehen wir vor den Toren der Kairouane Universität, die zur Mittagszeit aber geschlossen sind. Vera und ich kaufen etwas Nougat und dann geht es schon wieder in einen Laden hinein, wo ein Webstuhl von einem jungen Mann schnell und versiert bedient wird. Umgeben ist dieser von Verkäufern, die mit guten Sprachkenntnissen den verschiedensten Touristen etwas verkaufen möchten. Da ich mit Weberzeugnissen nicht so viel am Hut habe, schlendere ich etwas weiter und werde von einem jüdischen Geschäftsmann in seinen tollen Laden in einer alten Synagoge gelockt. Er erkärt mir, dass es super ist, dass ich ohne Guide unterwegs bin, denn diese sind eine Mafia. "Sie wollen 50 % vom Verkaufspreis." Ohne diese würde ich jetzt direkt von seinen "guten Preisen" profitieren. Der Schmuck wäre aus "echtem" Silber und die Steine auch alle "echt". Wem oder was soll man hier in diesem geschäftlichen Gewusel glauben?

 

So jetzt geht es erstmal zurück zum Place R`Cif. Dort pausieren wir in einem kleinen Café und treffen einen der örtlichen Führer. Er spricht ein exzellentes Deutsch. Nur können wir nicht klären, ob er jetzt wirklich 90 Jahre alt ist (wie er es gesagt hat) oder 80 Jahre (wie es seinen anderen Zahlenangaben zufolge wäre). Naja, ist auch egal, er klagt darüber, dass die Touristen zu geizig für einen Führer sind, der ihnen die Stadt richtig zeigen könnte (auch ohne Besuch der einschlägigen Verkaufsläden). Vielleicht hat er Recht, ich glaube aber, dass man nur allein die Umgebung richtig auf sich wirken lassen kann. Mit einem Touristenguide werden einem die Wege und Blickrichtungen doch irgendwie vorgegeben. Nach unserer wohlverdienten Pause geht es zum Gerberviertel. Auch dort werden wir wieder zufällig von einem Mann abgepasst, der uns auf die Dachterrassen der Ledergeschäfte mit Blick auf die Gerberbecken führt. Neben dem Obolus für seine Dienste bleibt er auch solange an unserer Seite bis er endgültig kapiert hat, dass wir im Ledergeschäft nichts kaufen werden. Auch hier wäre sicherlich wieder eine Provision fällig gewesen. Da es jetzt schon nachmittags ist, arbeiten nur noch wenige Männer an und in den Gerberbecken. Der ätzende, faulige Geruch hält sich auch in Grenzen. Allerdings scheinen die Becken auch nicht in den Farben, die ansonsten auf allen Bildern in den einschlägigen Reiseführern zu sehen sind. Entweder weil wir zu spät sind, oder die Fotos werden kräftig bearbeitet. Vom Gerbereiviertel aus lassen wir uns weiter durch die Medina treiben. Immer wieder stoßen wir auf interessante Ecken (besonders enge Gassen, abgestützte Hausfassaden, dunkle Tunnel usw.) oder alten Ladengeschäften. In einer Art "Kellerbäckerei" kaufen wir noch große Mandelmakronen zu einem guten Preis und laufen schließlich schnell wieder zum Place R´Cif zurück. Hier trennen wir uns von Andrea und Michael, die noch weiter Fès erkunden, während wir uns schnell mit einem roten Petit-Taxi zu unseren Hunden aufmachen. Das kostet uns für 11 km nur schmale 50 Dh. Kein gutes Geschäft für den Fahrer, da insbesondere unterwegs nicht mehr der noch vorhandene dritte Sitzplatz gefüllt wird. Der schnelle Wechsel der Fahrgäste auf kurzen Strecken ist das Geschäftsfeld dieser Taxigattung.


Der folgende Tag bringt kaltes windiges Wetter. Wir gehen wie immer unsere Runden mit den Hunden und setzen uns abends mit Andrea und Michael zusammen. Die Beiden betreiben in der Nähe von Alf an der Mosel ein schönes Gästehaus mit sieben Ferienwohnungen und angegliederter Kleinkunstbühne. Das Projekt haben sie 2012 angefangen und immer weiterentwickelt. Heute bieten sie ihren Außenbereich auch für Trauungen und anschließende Hochzeitsfeiern an. Aber die letzten zwei Jahre waren für den Geschäftsbetrieb der Beiden natürlich auch durch die Herausforderungen infolge des Coranavirus geprägt. Wir lachen viel, gehen später als sonst ins Bett und chillen am nächsten Tag gemeinsam in der nach Fès zurückgekehrten Sonne.