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Vejer de la Frontera - Rotkäppchen grüßt

Mit unserem Michel sowie Do und Gerd im Gepäck machen wir heute einen Ausflug nach Vejer de la Frontera. Im Schlepptau folgen uns mit ihrem Auto Elisabeth und Leszek. Wir parken auf dem großen Parkplatz am Ortseingang, in dessen Nähe sich auch das Touristenbüro befindet. Hier gibt es umsonst einen riesengroßen Stadtplan. Vor der Tür lungert ein "Guide" herum und wartet auf Arbeit. Auch uns spricht er mit einem sehr guten Deutsch an und preist seine Dienste, da wir uns erstens verlaufen könnten (naja er ahnt ja nicht, dass wir auch in allen Großstädten Marokkos ohne Guide ausgekommen sind) und zweitens wir dann in der besten Tapasbar Vejers einkehren würden (also bei seinen Freunden...). Zudem wäre er bezüglich des Preises verhandlungsbereit. Bis vor 5 Minuten dachte ich noch, wir hätten Marokko verlassen, jetzt kommen mir aber doch die ersten Zweifel.

Langsam und stetig bergauf gehen wir jetzt in den von einer Mauer umgebenden alten Stadtkern von Vejer. Da wir zur Mittagszeit unterwegs sind und gestern ja der große andalusische Feiertag war, haben kaum Ladengeschäfte geöffnet. Aber bei dem ein oder anderen Geschäft wagen wir einen Blick auf die angebotenen Waren. Zumeist sind es Keramik- und Lederwaren und allerlei Dekoelemente für einen maurisch-andalusischen Einrichtungsstil. Schließlich treffen wir auf die Placa de Espana, den farbigen und damit fotografischen Hotspot Vejers. Sehr schön das Ganze und schon geht es zurück in die nächsten weissgetünchten Gassen. Hinter einem Torbogen sehen wir dann die Statue einer schwarzverhüllten Frau, deren Schleier nur das linke Auge freilässt. Dieses Gewand trägt den Namen Cobijada und sollte ab dem 16. Jahrhundert die christlichen Frauen vor den Blicken der Männerwelt schützen. Das linke Auge blieb unverhüllt, damit man ihnen trotzdem bis ins Herz schauen konnte. Heutzutage wird das Gewand wohl noch bei Volksfesten getragen. Oben auf der Spitze Vejers gehen wir noch bis zum kleinen Castilllo, aber auch dessen Tore sind heute geschlossen. Vorbei an der Iglesia Divino Salvador (geschlossen!) gehen wir jetzt in Richtung des neueren Stadtteils, da Gerd noch eine Bank zum Geldabheben braucht. So folgen wir der Calle Juan Relinque und trefen auf eine Frau, die mit einem kleinen Hammer den weißen Putz eines Hauses abschlägt. Gerd nuschelt vor sich hin, dass eine Hilti - also ein  Stemmhammer - geeigneter wäre und schon dreht sich die Frau um und fragt auf Deutsch nach, was wir denn gerade geredet hätten.

 

Und dann nimmt alles schnell seinen Lauf. Wir fragen uns gegenseitig aus, warum wir jetzt hier in Vejer sind. Bei uns ist es einfach, wir sind ein bunt zusammengewürfelter Reisehaufen auf der Rückreise von Marokko, der hier und heute einen Zwischenstopp mit Bummeln einlegt. Bei dem Paar des Hauses (Nicole und Ralph) ist es so, dass Sie das Haus im vergangenen Jahr gekauft haben, es innen jetzt weitestgehend renoviert und jetzt sich vorgenommen haben, den mit einer Kunststofffarbe versiegelten Putz durch eine mineralisch atmende Außenhaut zu ersetzen. Somit haben sie in den letzten Tagen in Westernstiefeln begonnen, mit Leitern und von schmalen Balkonen aus, den Putz abzuschlagen. Eigentlich hätten sie dazu eine besondere Genehmigung benötigt, aber im Minirock (also Nicole), mit viel Lächeln und bestem Deutsch wären die Anwohner und auch die vorbeikommenden Polizisten bisher gnädig gestimmt. Wir dürfen das Innere ihres Hauses betreten und die voranschreitenden Arbeiten im Erd- und Untergeschoss bewundern, erfahren, dass die Beiden künstlerisch arbeiten und aus Berlin kommen und noch Etliches mehr, was aber hier den Rahmen dieses Berichtes sprengen würde. Uns bleibt aber besonders in Erinnerung, dass Ralph uns alte Leute anfangs immer höflich siezt, beide total schlagfertig und lustig sind, beide besser als wir mit der Fotofunktion der Handys umgehen können und sie darüber hinaus spontan einen würdigen Abschluss unseres Treffens organisieren. Nicole findet im an der Sitzbank gestapelten Sperrmüll  spanische Kopfbedeckungen und Ralph holt die letzte Flasche des guten Rotkäppchen-Sektes aus dem Kühlschrank. Wir stoßen alle gemeinsam auf das Bauprojekt an und wünschen ein gutes Gelingen. Vielen Dank an Nicole und den pensionierten Blechbrillenmacher Ralph (ja - jetzt kennen wir Deine Geschichte), uns bleibt aber vor allem Eure witzige Herzlichkeit in Erinnerung.