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Hin und her in Marrakesch

Wenn wir mit Freunden über Marokko gesprochen haben, fiel auch immer das Wort "Marrakesch". Diese knapp 1 Million Einwohner umfassende Stadt ist über Jahrhunderte vom Handel geprägt. Als letzter Stopp vor der Überquerung des Hohen Atlas kamen hier Händler aus allen Himmelsrichtungen zusammen. Seit etlichen Jahrzehnten ist es das Hauptziel vieler Marokkoreisender. Prägend sind die vielen rotfarbenen Gebäude und das Gassengewirr der Medina. Ein Lädchen nach dem anderen reiht sich hier aneinander. Und auch wenn man kein Einkaufsfan sein sollte, fasziniert die Vielfalt an visuellen und geruchlichen Eindrücken.

 

Unseren ersten Besuch im Zentrum starten wir mit unseren erfahrenen "Reiseleitern" Do und Gerd. Wir nehmen uns am Campingplatz ein Taxi und lassen uns auf eine turbulente Fahrt ins Zentrum ein. Während meine Mitreisenden dem Fahrer vertrauen, schnalle ich mich doch lieber an. Nach knapp 20 Minuten sind wir am "Gauklerplatz" Jemaa el-Fna. Unser eigentliches Ziel ist aber der südlich gelegene Bahia Palast. So geht es für uns per Fuß weiter, knapp 1 km über durchaus belebte Straßen. Vera ist besonders fasziniert von einem Laden, in dem Zahnprothesen offeriert werden. In der Nähe des Bahia Palastes werde ich von einem marokkanischen Verkäufer vor einem Gewürzladen angesprochen. Auf Englisch und Deutsch verwickelt er mich in ein Gespräch und beginnt seine Quizshow über seine Produkte "Was ist das?" Wir lernen "Glassplitter" kennen, die aus Eukalyptus bestehen, sehen das die bunten Farbgemische zumeist Weihrauch sind, bei einer klebrigen malzfarbenen Masse handelt es sich um Seife. Dann lerne ich noch schnell den Großvater des Verkäufers kennen, der wohl eine Zeit lang am Gardasee gelebt hat und zurück geht es in den Verkaufsprozess. Vera und ich entscheiden uns für zwei kleine Stücke Parfumseife (2 x 30 g) und lassen uns dafür 14 Euro abknöpfen. Gerd schüttelt über unsere Einfalt etwas den Kopf, aber egal, es ist spassig und weil wir so unbedarft sind, schenkt uns der Profiverkäufer noch eine Art "Minischale", die als Lippenstift fungiert und getrockneten Fenchel, dessen Blütenstiele als Zahnstocher dienen.

Danach geht es für uns in den gut besuchten Palast. Dieser stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde von den Alawiden errichtet. Diese Dynastie, die bis zum Propheten Mohammed zurückreicht, stellt auch heute noch den aktuellen König Marokkos. Beim heutigen Regenwetter packt einen der Charme dieser Palastanlage nicht so richtig. Auch die bepflanzten Innenhöfe, die im Sonnenschein sicherlich absolut schön ausschauen, können so nicht strahlen. Allerdings sind fast sämtliche Raumdecken reichlich verziert und sehenswert. Wir verlassen nach knapp einer Stunde den Palast und lassen uns danach durch die Gassen zurück zum Jemaa el-Fna treiben. Unterwegs lernen wir von unserer "Reiseleitung" das Handeln und kehren dann in ein Café zum obligatorischen Minzteetrinken ein. Von hier geht es vorbei an den Schlangenbeschwörern und Berberaffenbesitzern zurück zum Taxistand, an dem die nächste Verhandlung für den Rückfahrtspreis zum Campingplatz ansteht. Mit einem jungen Mann wird Gerd handelseinig und dann geht es noch turbulenter zurück, als auf der Hinfahrt. Von der rechten Spur geht es rüber nach ganz links, mehrspuriges Abbiegen ist möglich, die Abstände zwischen den Fahrzeugen werden bis auf die letzten Zentimeter genutzt, und auch die Hupe unterstützt letztendlich das Vorankommen.

Am nächsten Tag übernehmen wir die "Reiseleitung" und fahren mit Elisabeth und Lech erneut in das Zentrum. Wir warnen die Beiden vor dem schrecklichen Verkehr und sind dann selbst überrascht, wie ruhig es heute am Freitag gegenüber dem Vortag ist. Es ist deutlich zu merken, dass der Tag des Freitagsgebetes eine Art "Sonntag" für die Bewohner Marrakeschs ist. Natürlich steigen wir wieder am Jemaa el-Fna aus. Diesmal führt uns unser Weg aber nordwärts, unser Ziel ist die ehemalige Koranschule Medersa Ben Youssef. Durch die Gassen des Souks kommen wir nur langsam voran, da es natürlich wieder links und rechts ständig etwas zu sehen gibt. Schließlich erreichen wir die Medersa, die sich in die engen Häuserreihen Marrakeschs relativ unscheinbar einfügt. Erbaut wurde sie wohl Ende des 15. Jahrhunderts, ein Jahrhundert später war sie die bedeutendste Koranschule der islamischen Welt. Rund um einen wundervollen Innenhof liegen an den Kopfseiten der Zugang und der Betsaal, an den Längsseiten betreten wir kleinräumige "Wohnbereiche" mit umliegenden Kammern. Diese Kammern besitzen im Erdgeschoss überwiegend keine Fenster, im Obergeschoss sind die Kammern etwas größer, haben hin und wieder ein Fenster nach außen und teilweise gibt es eine Art eingebautes Hochbett. Wir denken, dass die kleinen Kammern vielleicht mit zwei, die größeren vielleicht mit vier Koranschülern belegt waren. Aber gemäß Angaben im Internet waren in den ingesamt 150 Kammern wohl bis zu 900 Koranschüler untergebracht. Die aus den reicheren Familien hatten dann eher einen Platz im "geräumigeren" Obergeschoß.  Die Koranschule gefällt uns allen sehr und wir schauen fast in jede Ecke, insbesondere die reichhaltigen Verzierungen an den Holz- und Keramikelementen sind schon sehr beeindruckend. Nachdem wir die Medersa verlassen haben, schlagen Elisabeth und Lech vor, in ein marokkanisches Café einzukehren. Also geht es in den nächsten Laden, der uns mit schönem Gebäck beeindruckt. Wir suchen uns ein Plätzchen im ersten Geschoss und bestellen eine Vielfalt an herzhaften Briouates, Café au Lait und Minztee. Alles ist vorzüglich und wir genießen unsere Pause. Danach kauft Elisabeth bei dem nächsten Metzger etwas Rinderhack, vergisst aber vor der Bestellung nach dem Preis zu fragen (die Reiseleiter Vera und Jens schütteln natürlich  den Kopf), und so ist ohne Handeln der erhöhte Preis zu berappen. Aber egal, weiter geht es durch die nun doch ziemlich belebten Gassen zurück zum "Gauklerplatz". Hier gönnen wir uns noch einen gepressten Saft und danach geht es mit dem Taxi - nach Verhandlung  100 Dh - wieder zurück zum Campingplatz.

Was bleibt noch zu sagen? Wir denken, dass man sicherlich etliche Tage durch die Ladengeschäfte streifen kann, ohne es satt zu haben. Daneben gibt es dann noch weitere Sehenswürdigkeiten (Yves Saint Laurent Museum, Königspalast, Majorelle Park, Fotografiemuseum usw.), so dass ein tagelanger Verbleib im Stadtzentrum prinzipiell möglich ist. Als Nichtwohnmobilist sollte dann aber eine Übernachtung in einem der prachtvollen Hotels (Riads) ins Auge gefaßt werden.