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Von Dessau in die Lutherstadt Wittenberg

Wir fahren nach Wittenberg. Herausgesucht haben wir uns einen Parkplatz am südwestlichen Ende der Stadt in der Nähe der Hauptfriedhöfe. Es ist eine aufgelassene Brache mit Betonplattenuntergrund. Ein ausrangierter Bus steht mit offenen Türen am Rand. Können und wollen wir hier wirklich übernachten? Eigentlich nein, also schauen wir uns noch drei weitere Stell- und Parkplätze an. Keiner sagt uns zu, so dass wir doch wieder beim einsamen Bus landen. Als wir einfahren, fährt ein Schweizer Wohnmobil wieder weg. Sie scheinen die gleichen Bedenken wie wir gehabt zu haben. Egal, wir richten uns jetzt in einer Ecke ein und sitzen auch noch schön in der Sonne. Dann spazieren wir zum direkt an der Elbe gelegenen Wassersportverein. Unterwegs lernen wir, dass unsere Stellfläche im Rahmen der Landesgartenschau 2027 überplant und neu gestaltet wird. Das Elbgelände soll an die Stadt besser angebunden werden. Bisher sind beide durch eine mehrspurige Straße und die Bahnlinie deutlich getrennt. Am Abend zieht noch eine Gewitterfront durch. Zum Glück bleibt es bei uns aber relativ ruhig.

 

Am nächsten Tag radeln wir ohne unsere Hunde in die nahegelegene Stadt. Zuerst schauen wir uns etwas im Park am Lutherhaus um. Danach geht es an toll blühenden Kleingärten vorbei. Mittig der Stadt fahren wir zur Hauptflaniermeile hoch, der Collegienstraße. Und hier staunen wir über die Pracht und Eleganz der beidseitigen Häuserzeilen. Das ist schon außergewöhnlich schön. Wir lassen die Fahrräder stehen und gehen jetzt zu Fuß. Am Marktplatz versperrt uns mal wieder ein Hüpfburgenland die Sichtachsen. Was für eine Schande... auch wenn die Kinder anders darüber denken werden. Vor dem Wittenberger Rathaus steht ein Lutherdenkmal. Irgendwo habe ich gelesen, dass Luther der erste Nichtadelige war, der als Büste/ Denkmal im öffentlichen Raum aufgestellt wurde. Als wir uns umdrehen, sehen wir den Torzugang zu einem Kunsthof. Dort schlendern wir hinein und lassen die angebotenen Objekte auf uns wirken. Am Ende des Innenhofbereiches liegt ein interessantes kleines Café. Für uns geht es wieder hinaus auf den Marktplatz und hinüber zur Stadtkirche St. Marien. In dieser Kirche predigte Martin Luther und heiratete seine Frau Katharina von Bora. An den Wänden hängen viele Kunstwerke der Familie Cranach, die am Marktplatz ihre Malerwerkstatt und Druckerei betrieben. Es ist eine sehr helle und freundliche Kirche, ein Gegenentwurf zu manch düsteren katholischen Gotteshäusern. Wir wenden uns jetzt der Jüdenstraße zu und gehen über die Coswiger Straße zur Schlosskirche. Unterwegs kauft Vera noch schnell ein Paar Sandalen und kurz danach gelangen wir über den modern sanierten Zugang in die Schlosskirche. Hier herrscht deutlich mehr Andrang, da es sich um ein international herausragendes Touristenziel handelt. Ihr wisst schon, seine 95 Thesen wurden hier angeblich von ihm eigenhändig an ein Eingangstor genagelt. Diese Begebenheit ist umstritten, seine Thesen über das Fegefeuer und den Ablasshandel haben die Kirchenwelt aber nachhaltig verändert. Da heute ein Kirchenkonzert stattfindet, ist der gesamte Altarbereich gesperrt. Somit stoßen wir weder auf die Grabplatte Luthers noch auf die Philipp Melanchthons. Melanchthon erhielt schon mit 21 Jahren den Lehrstuhl für Altgriechisch an der damalig mit weltgrößten Universität in Wittenberg. Er war ein kirchenpolitischer Weggefährte Luthers und ein wichtiger theologischer Autor der Reformation.


Der historische Ort Wittenberg zieht uns in den Bann. Da die Gebäude teilweise seit 500 Jahren bestehen und genutzt werden, und damit auch von Luther und Melanchthon betreten wurden, zeigt es auch deutlich unsere eigene Endlichkeit. Aber da die Sonne lacht und wir sehen wollen, wo Luther gerne eingekehrt ist, machen wir jetzt einen Abstecher in das alte Brauhaus Wittenberg am Marktplatz. Hier gab es wohl früher zwei getrennte Brauhäuser, die seit kurzer Zeit aber nur noch als Gesamtheit betrieben werden. Luther saß wohl gerne in der Adlerschänke, wir suchen uns aber einen Platz im schönen Außenbereich. Bei selbstgebrautem Bier und Lachsrouladen an Salat verarbeiten wir die bisherigen Eindrücke. Gut gestärkt folgen wir der Collegienstraße in Richtung Melanchthon- und Lutherhaus. Auch hier stellen wir fest, dass zum Lutherjahr 2017 anscheinend alles gründlich aufgehübscht wurde. Zurück geht es für uns jetzt zum Wohnmobil, wo wir auch schon freudig von den Hunden erwartet werden. In der Unterführung macht Vera noch ein Bild von einem Graffitti. Es wird das Startbild dieses Blogs. Auch die zweite Nacht auf unserem Brachflächenparkplatz ist absolut ruhig und angenehm. Manchmal täuscht der erste Eindruck halt doch.

Zum Abschluß unseres Besuchs in Wittenberg schauen wir noch bei der Wikana Kekswelt vorbei. Eine Keksfabrik aus dem Jahr 1906, welche in der DDR verstaatlicht war, und nach der Wiedervereinigung erst wieder belebt werden musste. Im Jahr 1992 erfolgte ein Neustart, der sich nach und nach zu einem Erfolg entwickelte. So entstand auch die Idee eines Werksverkaufes mit angegliederten Café. Wir kaufen verschiedenste Kekssorten, u. a. leckere Doppelkekse, Othello-Kekse und die Berühmtheit aus Kindheitstagen „Kalter Hund“.